Die Agenda 2030, der EU Green Deal, das Pariser Klimaabkommen, der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums; die EU meint es ernst mit dem Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und die vorangestellte Liste ließe sich erweitern. Vor allem um die sog. Taxonomie Verordnung, die im Juli 2020 in Kraft getreten ist und erstmals EU-weit einheitlich definiert, was unter Nachhaltigkeit eigentlich zu verstehen ist.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Hintergründe, den Inhalt und die Adressaten der Taxonomie Verordnung.
Die Taxonomie Verordnung als Baustein auf dem Weg zu einer klimaneutralen EU
Alle oben aufgezählten Abkommen ist gemein: sie dienen dem großen Ziel, die EU als ersten Wirtschaftsraum bis 2050 nachhaltig und vor allem klimaneutral zu gestalten. Diese Entwicklung besteht aus drei wesentlichen Dimensionen: die ökologische, die soziale und die wirtschaftliche (Environment, Social, Governance – ESG).
Ein wesentlicher Punkt zur Erreichung dieses Ziels ist die Anpassung des Finanzsystems hin zu einem nachhaltigen Finanzwesen. Insbesondere müssen zur Erreichung dieses Ziels Kapitalflüsse von Investoren hin zu nachhaltigen Investitionen und Finanzprodukten gelenkt werden. Das ist ein wesentlicher Baustein, um nachhaltiges Wachstum schaffen und Klimaneutralität erreichen zu können.
Hier kommt die Taxonomie-Verordnung ins Spiel. Denn um dieses Zeil zu erreichen, ist eine EU-weit einheitliche Definition darüber, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet, nötig. Die Taxonomie-Verordnung liefert nun erstmals eine Definition, was in der EU als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit einzustufen ist. Würde jeder Mitgliedstaat selbst bestimmen, welche Investition als nachhaltig eingestuft wird, würden ganz unterschiedliche Kriterien verwendet werden. Grenzüberschreitende Investitionen würden erschwert, da der Anleger immer vergleichen müsste, was Nachhaltigkeit wo bedeutet. Zum anderen wären aber auch Marktteilnehmer belastet, da sie, wollen sie nachhaltige Finanzprodukte vermarkten, in unterschiedlichen Mitgliedstaaten unterschiedliche Kriterien erfüllen müssten. Ein Flickenteppich wäre die Folge.
Definition einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit
Wann eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit vorliegt, bestimmt sich nach den Regelungen der Taxonomie-Verordnung anhand vier Kriterien:
Wesentlicher Beitrag zurVerwirklichung eines Umweltziels Das sind: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und Schutz der Biodiversität und Ökosysteme.
Keine erhebliche Beeinträchtigung eines Umweltziels,
Einhaltung internationaler sozialer und arbeitsrechtlicher Standards
Einhaltung der technischen Standards, die von der Kommission festgelegt werden
Entwicklung technischer Regulierungsstandards
Um die Anforderungen dieser Kriterien zu konkretisieren, wird die EU-Kommission zahlreiche sog. technische Regulierungsstandards (RTS) erlassen, die die Anwendung und Umsetzung der Taxonomie-Verordnung vereinfachten werden. Dazu ein konkretes Beispiel:
Nach obigen Kriterien ist eine Wirtschaftstätigkeit u.a. dann ökologisch nahhaltig, wenn sie dem Klimaschutz dient. Das ist nach der Taxonomie-Verordnung z.B. der Fall, wenn sie durch die Speicherung erneuerbarer Energien wesentlich dazu beiträgt, etwa Treibhausgase zu reduzieren. Um das konkret bestimmen zu können, braucht es technische Bewertungskriterien bzgl. der Treibhausgasreduktion durch Energiespeicherung, die in den RTS konkret ausgearbeitet sein werden.
RTS zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sollen bereits Ende diesen Jahres durch die Kommission vorgelegt werden und Anfang 2022 Anwendung finden. Für die übrigen Umweltziele sind RTS bis Ende 2021 geplant, die dann ab 2023 anwendbar wären.
Bei der Ausarbeitung dieser RTS wird die Kommission von Experten und Sachverständigen unterstützt werden. Erste Entwürfe dieser Expertengruppe zu dem Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel liegen bereits vor und können hier abgerufen werden.
Transparenzpflichten
Neben der Definition einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit enthält die Taxonomie-Verordnung auch Transparenzpflichten. Diese ergänzen die Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor der sog. Transparenzverordnung, worüber wir bereits gebloggt haben.
Für wen gilt die Taxonomie-Verordnung und ab wann?
Die Taxonomie-Verordnung gilt für
von den Mitgliedsstaaten oder der EU verabschiedete Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an Finanzmarktteilnehmer oder Emittenten im Zusammenhang mit Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen, die als ökologisch nachhaltig bereitgestellt werden;
Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen;
Unternehmen, für die die Verpflichtung gilt, eine nichtfinanzielle Erklärung oder eine konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung zu veröffentlichen.
Die Taxonomie-Verordnung ist am 12. Juli 2020 in Kraft getreten. Regelungen zu den Umweltzielen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel werden ab 2022 gelten, die Regelungen zu den übrigen Klimazielen nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und Schutz der Biodiversität und Ökosysteme ab 2023. Dann gelten auch die jeweiligen, die Verordnung flankierenden RTS.
Fazit
Die Taxonomie-Verordnung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft und einer klimaneutralen EU. Nur mit einer EU-weit einheitlichen Definition, was unter einem nachhaltigen Investment zu verstehen ist, wird das Anlegervertrauen in als nachhaltig beworbene Finanzprodukte gestärkt und der Anleger kann sicher sein, dass er auch Nachhaltigkeit bekommt, wo Nachhaltigkeit drauf steht. Dieses Anlegervertrauen wird letztlich die Hinführung von Kapitalflüsse zu nachhaltigen Investition erreichen, die auf dem Weg zur Klimaneutralität unerlässlich sind.
Bevor wir in den kommenden Wochen genauer hinschauen und berichten, was die ESG-Regulierung für wen genau bringt, geben wir heute einen kurzen Überblick über den Stand der europäischen Gesetzgebung für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft.
Um die Ziele des Pariser Klimavertrages zu erreichen, spielt Nachhaltigkeit auch im Finanzmarkt künftig eine große Rolle. Der europäische Gesetzgeber hat mit drei Verordnungen, die in alles EU-Mitgliedstaaten unmittelbar, d.h. ohne Umsetzungsakt gelten, den Anfang gemacht, um den Finanzmarkt in Europe in eine grünere Zukunft zu bewegen.
Ziel der Transparenzverordnung ist es, Informationsasymmetrien in den Beziehungen zwischen Anlegern und Anbietern von Finanzprodukten im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen, die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie im Hinblick auf nachhaltige Investitionen dadurch abzubauen, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber Anlegern verpflichtet werden.
2. Taxonomieverordnung
Die Verordnung (EU) 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen legt verbindlich fest, wann eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Sie soll Investoren als Leitlinie dienen, mit welchen Investitionen ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten finanziert werden und Greenwashing verhindern. Diese Verordnung gilt für (i) von den Mitgliedstaaten oder der EU verabschiedete Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an Finanzmarktteilnehmer oder Emittenten im Zusammenhang mit Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen, die als ökologisch nachhaltig bereitgestellt werden; (ii) Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen; (iii) Unternehmen, für die die Verpflichtung gilt, eine nichtfinanzielle Erklärung oder eine konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung zu veröffentlichen. Ein Teil der Pflichten ist bis zum 1. Januar 2022, einige Pflichten sind auch erst zum 1. Januar 2023 umzusetzen. Durch die Taxonomieverordnung ergeben sich für Finanzmarktteilnehmer auch weitere Transparenzpflichten. Wir werden uns in einem gesonderten Blogbeitrag ausführlich mit der Taxonomieverordnung auseinandersetzen.
Die Verordnung zielt im Wesentlichen darauf, Mindeststandards für zwei unterschiedliche Klima-Benchmarks einzuführen, um Greenwashing entgegenzuwirken und über Offenlegungspflichten die Transparenz zu verbessern und Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Außerdem soll es ESG-Offenlegungspflichten für alle Benchmarks geben. Die Verordnung umfasst damit in erster Linie die Einführung der beiden Klimawandel-Referenzwerte: (i) den EU-Referenzwert für den klimabedingten Wandel und (ii) den Paris-abgestimmter EU-Referenzwert.
Es wird neben diesen drei Verordnungen noch eine Reihe an delegierten Verordnungen zur Konkretisierung der Vorgaben geben, über die wir auch berichten werden. Auch die BaFin und die EZB haben sich bereits zu ihren Aufsichtsvorstellungen für einen nachhaltigen Finanzmarkt geäußert (siehe hier). Den Finanzmarktteilnehmern steht ein gutes Stück Umsetzungsarbeit bevor, denn um nachhaltige Finanzprodukte transparent anbieten zu können, müssen auch intern entsprechende Prozesse geschaffen werden.
Curtis Partner Verena Ritter-Döring in Conversation with Inka Winter von ESG Screen 17
VRD: Nachhaltigkeit ist gerade ein großes Thema. Fangen wir mal ganz vorne
an. Was ist eigentlich mit Nachhaltigkeit gemeint?
Inka Winter: In der Finanzindustrie versteht man unter
Nachhaltigkeit die Einbeziehung von Umwelt-, Sozialen und
Unternehmensführungskriterien (ESG-Faktoren) in die etablierten Prozesse.
ESG ist das Kürzel, das für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung
steht und somit zum Synonym für Nachhaltigkeit wurde. Jedoch gibt es auch hier
die verschiedensten Auslegungen und Interpretationen. Internationale Normen wie
der UN Global Compact, die ILO (International Labour Organisation) und/oder IFC
(International Finance Corporation) Standards werden häufig herangezogen, um
der Nachhaltigkeit einen nachvollziehbaren Rahmen zu geben. Gleichwohl gibt es
nicht die EINE Definition von Nachhaltigkeit, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen
Interpretationen, was Nachhaltigkeit bedeutet.
Asset Owner legen verschiedene Schwerpunkte und definieren unterschiedlich,
was sie als nachhaltig ansehen. Asset Manager haben unterschiedliche
Auslegungen, was Nachhaltigkeit bedeutet und welche Kriterien sie ein- oder
ausschließen.
Unstrittig hingegen ist, dass ESG-Kriterien einen Einfluss auf die
finanzielle Performance von sowohl Investments als auch Krediten haben, auch
wenn die genaue Definition dessen, was wann und wie Auswirkungen hat, noch
klarer definiert werden muss. Reputationsrisiken auf Aktienkurse oder die
Risiken durch sogenannte stranded Assets (z.B. wirtschaftliche Risiken fossiler
Rohstoffe) haben schon in den letzten Jahren die Auswirkungen auf finanzielle
Performance gezeigt.
Somit ist das einhellige Verständnis, dass eine angemessene Einbeziehung der
ESG-Kriterien in die etablierten Investment- und Kreditprozesse notwendig ist.
VRD: Was macht Ihr bei ESG Screen 17?
Inka Winter: Wir stellen unseren Kunden
Nachhaltigkeitsdaten und -analysen zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen,
Nachhaltigkeitsinformationen in Risiko-, Kredit- und Investmentprozesse zu
integrieren. Darüber hinaus unterstützen wir Investoren, Finanzinstitute und Asset
Owner dabei, eigene Nachhaltigkeitsprofile zu erstellen und darauf basierend
nachhaltige Investmentstrategien umzusetzen. Wir ermöglichen die Umsetzung des
individuellen bzw. institutionellen Nachhaltigkeitsverständnisses.
So haben wir zum Beispiel Stiftungen, die als Stiftungszweck u.a. einen
starken Fokus auf das Thema Klima & Wasser in ihren Anlagestrategien
zentral umgesetzt haben. Durch die individuelle Festlegung von
Ausschlusskriterien und vor allem aber durch die schwerpunktmäßige Ausrichtung
auf einzelne SDGs (Sustainable Development Goals) wurde ein Investmentuniversum
festgelegt, in das dann entsprechend investiert wird.
Wir nutzen Daten von verschiedenen anerkannten
Nachhaltigkeits-Datenanbietern und bereiten diese Daten methodisch so auf, dass
wir sie den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen zuordnen können. Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele
(SDGs) sind ein perfektes Rahmenwerk, um das Thema Nachhaltigkeit
zielgerichtet, klar definiert und messbar umsetzen zu können. Darüber hinaus
werden sie auch von Seiten der EU und der Regulatoren im BaFin Merkblatt, als
auch in der EU-Taxonomie und der kommenden Transparenzverordnung genannt.
Unser Team von Datenwissenschaftlern und Nachhaltigkeitsexperten stellt
unseren Kunden transparente Informationen auf Unternehmens- bzw.
Emittentenebene zur Verfügung. Diese werden von Investoren, Vermögensinhabern
wie UHNWIs, Family Offices oder Stiftungen genutzt, , um die Nachhaltigkeit
ihrer Assets nach den ihnen wichtigen Kriterien (oder Werten) zu bewerten
ebenso wie zur weiteren Umsetzung dieser individuellen Nachhaltigkeitskriterien
in Investmentstrategien.
Darüber hinaus
agieren wir für Kunden als ausgelagertes ESG-Team, und unterstützen sie bei der
Umsetzung von regulatorischen Anforderungen und der Auflegung innovativer
nachhaltiger Investmentlösungen.
VRD: Welche Daten brauchen
die Finanzinstitute/Banken, um beurteilen zu können, ob ein Produkt nachhaltig
ist? Woher bekommt man diese Daten?
Inka Winter: Banken und Finanzinstitute benötigen Daten,
um mögliche finanzielle Auswirkungen von Nachhaltigkeitsfaktoren zu beurteilen
bzw. die entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien, die auf Ebene der Unternehmen,
in die direkt oder indirekt investiert wird, relevant sind, finanziell
einschätzen zu können.
Hier sehe ich zwei Komponenten: zum einen die Verfügbarkeit und Qualität
derzeit verfügbaren Daten, zum anderen die Schwierigkeit zu erkennen, welche
Nachhaltigkeitsdaten relevant sind – was je nach Sektor und Geschäftsmodell
variiert.
Derzeit sind die Daten zur Nachhaltigkeitsbewertung sehr heterogen und
stammen in erster Linie aus den wenigen öffentlichen verfügbaren Quellen (z.B.
Geschäftsberichte, CSR-Berichte) und NGO-Berichten. Zusätzlich erheben manche
ESG-Researchagenturen Informationen direkt von Unternehmen, z.B. über
Fragebögen. Auf dieser Basis erstellen ESG-Researchagenturen Einschätzungen und
Bewertungen.
Jedoch sind verfügbare Nachhaltigkeitsdaten wenig einheitlich, es gibt
keine klar definierten Reportingstandards für Unternehmen, d.h. zu welchen Indikatoren Daten verfügbar
und veröffentlicht sind, variiert stark. Auch die Informationen und
Einschätzungen der verschiedenen Agenturen unterscheiden sich aufgrund
unterschiedlicher Methoden und Ansätze und resultieren daher in unterschiedlichen
Nachhaltigkeitsbewertungen für Unternehmen.
Daran knüpft sich die zweite Ebene: Es ist nicht einfach zu erkennen,
welche Nachhaltigkeitsfaktoren für welche Industrie und welche Unternehmen zur
Einschätzung von Risiken und Potentialen relevant sind, oder welche Faktoren
beachtet werden müssen zur Erzielung von dedizierten Nachhaltigkeitszielen, wie
z.B. der Reduktion des CO2 Ausstoßes oder der Verbesserung von
Arbeitsbedingungen.
Orientierung können hier internationale Rahmenwerke wie der UN Global
Compact bieten oder auch Reporting Standards von z.B. SASB (Sustainability
Accounting Standards Board) oder GRI (Global Reporting Initiative).
Um dedizierte Nachhaltigkeitsziele zu definieren und entsprechenden Impact
messen zu können, bieten sich die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele als Rahmenwerk an.
Mit einer klaren Definition von Bewertungskriterien zur Erreichung der Ziele
ist es dann möglich, die notwendigen Daten zu erheben und darauf basierend eine
Einschätzung vorzunehmen.
Der Markt der Datenquellen wird sich sicherlich weiter verändern. Gerade
auf Seiten der ESG-Researchagenturen sieht man eine fortschreitende
Konsolidierung im Markt. Gleichzeitig widmen sich immer mehr Marktteilnehmer
der Frage nach dem woher kommen die Daten,
was zu einer gewissen Dynamik für neue Anbieter sorgt. Last but not least nimmt
die öffentliche Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten auch mehr und mehr zu.
VRD: Ist zu erwarten, dass
mit fortschreitender Regulierung – wie gerade durch die Transparenz- und die
Taxonomie-Verordnung – die Datenlage besser und besser vergleichbar wird?
Inka Winter: Das glaube ich schon. Regulierung ist immer ein viel diskutiertes Feld, aber es soll ja dazu dienen, zu identifizieren was wirklich nachhaltig ist, um so Vergleiche zwischen Investmentlösungen zu ermöglichen. Dafür braucht es Vorgaben dazu, was als nachhaltig angesehen werden darf. Da setzt die europäische Regulierung an. Die EU-Taxonomie startet mit dem Thema Klima und hier mit 2 von 6 Zielen. In diesen zwei definierten Zielen (Klima Mitigation, Klima Adaption) ist zumindest schon einmal definiert, welche wirtschaftliche Aktivität als nachhaltig angesehen werden darf.
Basierend auf diesen Definitionen, werden jetzt technische
Regulierungsstandards ausgearbeitet. Hier erhofft sich der Markt dann mehr
Klarheit darüber, wie die einzelnen Aktivitäten gemessen werden sollen. Darauf
aufbauend, kann man dann sehr viel klarer sehen, welche Daten benötigt werden
für eine entsprechende Einschätzung. Dann werden auch die Unternehmen sehr viel
besser wissen, welche Daten sie für ihre Investoren veröffentlichen müssen.
Im Rahmen der Transparenzverordnung werden darüber hinaus Daten benötigt,
anhand derer ein Finanzmarktteilnehmer/Finanzberater nicht nur die
Nachhaltigkeitsrisiken und nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen einschätzen
kann, sondern auch, wie die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen bei
nachhaltigen Produkten gemessen und erreicht werden kann.
Für die Definition von konkreten und messbaren Nachhaltigkeitszielen und um
festzulegen, was denn nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen sind, benötigt es
ebenso Rahmenwerke. Hier bieten sich die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele als
wichtiges und hilfreiches Rahmenwerk an, diese werden sowohl in der
EU-Taxonomie als auch in der Transparenzverordnung genannt.
VRD: Die
Transparenzverordnung gibt ja nun vor, dass der Kunde künftig pro Finanzprodukt
genau wissen soll, was daran nachhaltig ist. Wie muss ich mir das vorstellen?
Kann es immer noch sein, dass dasselbe Produkt von zwei Beratern
unterschiedlich beurteilt wird? Was kann der Kunde dann damit anfangen?
Inka Winter: Ich fürchte, es ist illusorisch zu
glauben, dass mit der kommenden Regulatorik alle Marktteilnehmer alles
identisch bewerten, messen und einschätzen werden. Dafür ist die Datenlage zu
heterogen und die Definition von nachhaltig zu subjektiv.
Was durch die Regulatorik jedoch erreicht werden kann, ist, dass man als
Anleger zumindest die gleichen Kriterien miteinander vergleichen kann und klar
aufgezeigt wird, WARUM der Fonds als nachhaltig gekennzeichnet ist.
Hier sehe ich auch eine Zweiteilung: Die Beurteilung der Integration von
Nachhaltigkeitskriterien in Entscheidungs- und Beratungsprozesse sowie die
Handhabung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen haben sicher mehr Raum für
Subjektivität, als die Aussage darüber, was als ökologisch und soziale beworben
wird, und wie die Nachhaltigkeit in einem Fonds gemessen und erreicht werden
soll.
Zusammenfassend gesagt, es wird dem Anleger auf jeden Fall sehr viel klarer
aufgezeigt, auf was er achten sollte, und sowohl Finanzmarktteilnehmer als auch
Finanzberater haben viel mehr Klarheit zu was sie Auskunft geben müssen. Somit
wird dem gesamten Thema Nachhaltigkeit ein viel klarerer Rahmen gegeben und
hoffentlich die notwendige Skalierung und Messbarkeit verliehen, so dass als
ein Effekt dann potentielles Greenwashing minimiert wird.
VRD: Kann denn die kommende Regulierung
so die Notwendigkeit der Umleitung von Finanzströmen unterstützen oder ist sie
nicht eine so große Bürde, die lediglich zu mehr Kosten für Finanzdienstleistungsinstitute/Asset
Manager und damit auch für den Kunden führt?
Inka Winter: Das Risiko besteht. Auch besteht das
Risiko, dass man das Thema Nachhaltigkeit oder nachhaltige Investitionen zu eng
definiert und so innovative Lösungen und Investitionsmöglichkeiten ausgrenzt.
Trotzdem ist es unumgänglich, dass Nachhaltigkeit als das was es ist,
nämlich ein finanziell relevantes Risiko- und Ertragspotential, wahrgenommen
und in alle Prozesse integriert wird. Dafür braucht es klare Messfaktoren,
Benchmarks und auch Prüfungsprozesse.
Um Ziele wie CO2-Neutralität oder die Inka Winter: zu erreichen,
braucht es nicht nur alle Marktteilnehmer, sondern auch Rahmenwerke und Daten,
die es ermöglichen Fortschritte zu messen und entsprechend Gelder zu
allokieren.
Insofern ist die Regulierung vielleicht ein zu dieser Zeit notwendiges
Übel, aber sie bietet auch Chancen für Klarheit und Definitionen. Es ist
unumgänglich, dass Nachhaltigkeitsrisiken systematisch in Risikoprozesse
integriert werden und dabei ist eine klare Definition dessen, was damit gemeint
ist, unumgänglich. Gleiches gilt für die nachteiligen
Nachhaltigkeitsauswirkungen.
Die Chance liegt doch darin, dass es somit dem Finanzmarkt ermöglicht wird,
sich an der Stelle zukunftsorientiert aufzustellen. Unstrittig ist jedoch, dass
das Ressourcen und Knowhow für den Aufbau sowie entsprechende Anpassungen in
Systemen der Finanzdienstleister erfordert. Das generiert natürlich im ersten
Schritt zunächst Kosten.
Anders als bei anderen regulatorischen Anforderungen sehe ich jedoch bei
der jetzt kommenden Regulierung auch eine große Möglichkeit für die betroffenen
Marktteilnehmer, attraktive und langfristige Business Cases zu generieren.
VRD: Welcher Business case
zeichnet sich hier Deiner Meinung nach ab?
Inka Winter: Der Markt für nachhaltige Geldanlagen ist
in den letzten Jahren signifikant gewachsen. Die in nachhaltigen Investments
allokierten Assets under Management lagen lt. GSIA (Global Sustainable
Investment Alliance) Ende 2018 bei über 30 Billionen USD und es ist nicht
absehbar, dass sich der Trend ändert. Die Finanzierung der 17 UN SDGs benötigt
ca. 5-7 Billionen USD pro Jahr und auch die Summen, die zur Bekämpfung des
Klimawandels benötigt werden, sind signifikant. Allein die Industriestaaten
(developed countries) müssten 4,4 Billionen USD zur Erreichung der Pariser
Klimaziele aufbringen.
Durch die kommende Regulierung werden Marktteilnehmer aufgefordert, das
Thema Nachhaltigkeit ihren eigenen Anforderungen und den Anforderungen ihrer
Kunden entsprechend umzusetzen. Die Expertise, die durch die notwendige
Integration von Nachhaltigkeit in den kompletten Produktzyklus und die Beratung
aufgebaut wird, kann doch auch genutzt werden, um innovative Finanzierungs- und
Investmentlösungen zu entwickeln.
Die Kundennachfrage nach nachnachhaltigen und zugleich maßgeschneiderten
Lösungen wächst stetig und bietet doch ein großes Potential zur
Neukundengewinnung bzw. Kundenbindung.
Nach der Transparenzverordnung müssen Produkte, die zur Erreichung
nachhaltiger Ziele aufgelegt wurden, aufzeigen, wie die Ziele konkret
formuliert sind und wie Fortschritte gemessen werden.
Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sind dafür ein geeignetes Rahmenwerk, weil
sie definieren, wo wir hinmüssen im
Bereich Nachhaltigkeit. An diesen Zielen kann man nicht nur die Messung
ausrichten, sondern es lassen sich sehr gezielt Investmentthemen definieren.
Natürlich gibt es noch nicht flächendeckend Daten, um alles zu bewerten und
zu messen, jedoch bieten auch diese Datenlücken Möglichkeiten. Zum Beispiel
bedienen wir mit der Screen17 Kunden mit umfassenden Informationen zu Verfügbarkeit
und Qualität der verfügbaren Unternehmensdaten im Hinblick auf die 17
Nachhaltigkeitsziele. So können vorhandene Datenlücken klar aufgezeigt und von
Asset Managern identifiziert werden, die dies dann in ihrem Corporate
Engagement einsetzen und so in der Lage sind, Informationslücken zu schließen
und für ihre Kunden die besten und langfristig renditestärksten Investments zu
identifizieren. Das Thema Corporate Engagement kann und sollte ein noch
größerer Business Case und Differenzierungsmerkmal für Marktteilnehmer sein.
Meine Hoffnung wäre, dass hier die Branche das Thema Nachhaltigkeit nicht
nur als regulatorisches Muss begreift, sondern auch als Chance und als
Möglichkeit neue Ertragspotentiale für Ihre Kunden und somit auch für sich zu
erschließen.
VRD: Was sind die Gefahren
des derzeitigen Trends, möglichst viel in nachhaltige Produkte zu investieren ?
Inka Winter: Falsch und zu kurz ausgelegte
Nachhaltigkeit in dem Sinn, dass man einfach nur eine Checkliste von vorhanden
Daten abarbeitet und in die vermeintlich nachhaltigen, weil gut bewerteten,
Werte investiert, kann natürlich dazu führen, dass Gelder nur die großen
Unternehmen oder Projektbetreiber erreichen, die entsprechende Transparenz
bieten und daher als investierbar gelten. Es gibt durchaus Stimmen, die
kritisieren, dass ESG-Fonds zu stark in einzelne Sektoren bzw. Industrien und
Regionen ausgerichtet sind und sich dadurch Klumpenrisiken bilden.
Gleichwohl sehe ich die sinnvolle Einbindung von Nachhaltigkeit in
Investment- und Kreditprozesse eher als risikomindernd an.
VRD: Ich bedanke mich
herzlich für das nette und informative Gespräch, das wir gerne fortsetzen
können, wenn die EU-Regulierung noch konkreter wird!
Nachhaltigkeit, ESG, sustainable finance, das Thema Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft ist in aller Munde. Es ist gerade auch für die Versicherungsbranche sehr relevant. Dabei geht es vor allem um die Risiken, die sich für die Versicherer aufgrund der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Klimawandels ergeben. Sobald sich solche Risiken verwirklichen, kostet es die Versicherungen viel Geld.
Doch um welche Risiken geht es hier genau? Wie wirken sich diese konkret auf die Versicherer aus? Und wie können Versicherer diese bewerten und sich vorbereiten? Die BaFin erklärt im BaFin Journal für Oktober 2019 wie spezielle Stresstests zeigen können, wie sich der Klimawandel auf die Kapitalanlagen von Versicherungen auswirkt.
Klimarisiken für Versicherer
Welche klimawandelbedingten Risiken entstehen überhaupt für die Versicherungsunternehmen? Bei dieser Frage ist sowohl zwischen sog. physischen Risiken und Transitionsrisiken als auch danach zu unterscheiden, ob sich die Klimarisiken auf die Aktiv- oder die Passivseite der Bilanz des Versicherungsunternehmens auswirken.
Unter physischen Risiken versteht man sowohl einzelne Extremwetterereignisse und deren Folgen (z.B. Dürreperioden, Stürme, Waldbrände, Überflutungen) als auch die langfristige Veränderung klimatischer und ökologischer Bedingungen (z.B. Meeresspiegelanstieg, Übersäuerung und Vermüllung der Ozeane). Transitionsrisiken hingegen gehen mit der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft einher. So können z.B. politische Maßnahmen dazu führen, dass sich fossile Energieträger verknappen oder verteuern.
Daneben ist zu unterscheiden, ob die Klimarisiken das Versicherungsunternehmen auf der Aktiv- oder der Passivseite seiner Bilanz treffen. Die Passivseite ist betroffen, wenn das Versicherungsunternehmen von ihren Versicherten wegen klimabedingter Versicherungsfälle in Anspruch genommen wird. Klassisches Beispiel ist die Inanspruchnahme aufgrund von Schäden, die z.B. durch Überschwemmungen oder Sturmereignissen an Immobilien hervorgerufen werden. Je häufiger und stärker solche Extremwetterphänomene auftreten, desto öfter werden Versicherte ihre Versicherung auch in Anspruch nehmen müssen. Je öfter das geschieht, desto häufiger muss die Versicherung einspringen, desto mehr Zahlungsverpflichtungen treffen sie, desto stärker ist die Passivseite ihrer Bilanz belastet.
Aber auch die Aktivseite, also die Kapitalanlagen des Versicherungsunternehmens, kann von Klimarisiken betroffen sein. Auch hier dient das Beispiel von Überschwemmungs- und Sturmschäden an Immobilien aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse als Veranschaulichung. Die aus einem solchen Naturereignis resultierenden Schäden können schnell eine erhebliche Beeinträchtigung der Mieter der Immobilien herbeiführen. Ist die Immobilie im Eigentum des Versicherungsunternehmens, sind die Mieteinnahmen beeinträchtigt. Ist das Versicherungsunternehmen mittelbar in die Immobilie investiert, z.B. über Fonds oder über Aktien an einem Immobilienunternehmen, entstehen Auswirkungen auf die Rendite.
Wie also ist umzugehen mit den Risiken?
Eine Möglichkeit für Versicherungsunternehmen, ihre umweltbezogenen Risiken besser identifizieren, bewerten, überwachen, steuern und kontrollieren zu können, ist der Einsatz von Klimastresstests. Stresstests funktionieren so, dass sie bestimmte Szenarien abbilden und dann geprüft wird, wie das Unternehmen darauf reagiert. Damit können die Auswirkungen der Stressszenarien schon vor ihrem Eintritt antizipiert werden und das Unternehmen sich entsprechend auf den Fall des Eintritts vorbereiten.
Als Beispiel können die Stresstests dienen, die Banken durchführen müssen, um Auswirkungen bestimmter Szenarien (z.B. Währungsturbulenzen, hohe Kreditausfallquote, Wirtschaftskrisen etc.) auf die Bestands- und Risikotragfähigkeit des Instituts beurteilen zu können. Auch im Fondsbereich kennt man Stresstests; Kapitalverwaltungsgesellschaften sind verpflichtet, Liquiditätsstresstests durchzuführen, um antizipieren zu können, welche Folgen bestimmte Stressszenarien auf die Liquiditätslage der von ihnen verwalteten Fonds haben (mehr dazu finden Sie hier).
Nach dem gleichen Prinzip können daher auch Stresstest für Klimarisiken funktionieren. Das Versicherungsunternehmen gibt bestimmte Klimastressszenarien vor (Dürreperioden, Stürme, Waldbrände, Überflutungen etc.) und prüft, wie sich der Eintritt solcher Stressszenarien auf ihre Passivseite, aber vor allem auch auf ihre Kapitalanlagen auf der Aktivseite ihrer Bilanz auswirken würden.
Da die Unternehmen selbst für ihr Risikomanagement verantwortlich sind, stehen sie in der Pflicht zu prüfen, ob unternehmensspezifische Stresstests die wesentlichen Klimarisiken in geeigneter Weise abbilden können. Sie müssen Methoden und Instrumente eigenständig weiterentwickeln, damit diese Nachhaltigkeitsrisiken dauerhaft abbilden. Laut einer Umfrage der BaFin, sind Klimastresstests noch nicht flächendeckend in der Versicherungsbranche verbreitet. Von den Erst- und Rückversicherungsunternehmen in Deutschland sowie den Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, die unter der Aufsicht der BaFin stehen, verwenden nach Aussage der BaFin erst etwa sechs Prozent Klimastresstests im Kapitalanlage-Risikomanagement. Viele nutzen dabei Analyseinstrumente externer Anbieter an oder kombinieren eigene mit externen Instrumenten.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Wie der Banken- und Fondsbereich zeigt, sind Stresstest ein wirksames und gutes Instrument, Risiken konkret zu antizieren und sich als Unternehmen entsprechend auf ihren Eintritt vorzubereiten. Das gilt auch für Versicherungsunternehmen. Auch auf europäischer Ebene werden Stresstests im Versicherungsbereich diskutiert. Die EIOPA hat bereits im Juli 2019 ein Diskussionspapier veröffentlicht und darin konsultiert, welche methodischen Grundlagen bei Stresstests von Versicherungen herangezogen werden sollen. Die Konsultation lief bis 18. Oktober 2019.
Wie überall momentan beim Thema Klimawandel, Nachhaltigkeitsrisiken und ESG liegt das Hauptproblem der Unternehmen aber darin, dass es noch keine verbindlichen regulatorischen Vorschriften gibt, was z.B. genau unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. So kommen unterschiedliche Anbieter von Stresstests oder Unternehmen mit unterschiedlichen Methoden und Ansätzen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Aber gesetzliche Regelungen, die Abhilfe schaffen, sind schon auf dem Weg. Die Taxonomie-Verordnung z.B., die eine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit festlegen wird, wird zur Zeit in den Trilog-Verhandlungen auf europäischer Ebene diskutiert. Vor 2021 wird es aber wohl keine bindenden gesetzlichen Vorgaben geben, sodass es bis dahin auch bei den unterschiedlichen Methoden und Ergebnissen der Klimastresstests bleiben wird.
Auch die BaFin wird sich aber weiterhin dem Thema annehmen, sich mit Klimastresstests auseinandersetzen und im Dialog mit der Branche bleiben. Ihr Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken behandelt Stresstest ist einem eigenen Kapitel und wird derzeit konsultiert (mehr zu dem BaFin Merkblatt finden Sie hier).
Das Merkblatt ist 33 Seiten lang, soll für alle drei Aufsichtsbereiche gelten und macht den Anschein, als hätte sich die BaFin damit viel Mühe gegeben. Auf Nachfrage äußern Mitarbeiter der BaFin, dass das Merkblatt, wenn es einmal final ist, nicht rechtlich bindend sei. Und auch in der Vorrede wird ausführlich erläutert, dass es sich um ein Kompendium von Good-Practices, das unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips in den beaufsichtigten Unternehmen Anwendung finden soll, handele. Es soll eine sinnvolle Ergänzung zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) sein.
Wie ist das Merkblatt also rechtlich einzuordnen?
Im Moment ist es lediglich eine Äußerung der BaFin, die hierin ihre eigenen Ideen einer möglichen künftigen Verwaltungspraxis niederlegt. Der Verweis auf die MaRisk, die die Verwaltungspraxis der BaFin offenlegt, zeigt, dass hier nicht ein völlig unverbindliches Dokument erstellt wurde. Sicher dient die Marktbefragung auch dazu, das Verständnis der Finanzbranche im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu erweitern.
Derzeit gibt es noch keine rechtlich bindenden Vorgaben, wie der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche aussehen soll. Das Thema ist in ganz Europa auf der politischen Agenda. Und auch die BaFin hat immer wieder öffentlich geäußert, dass sie einen bewussten Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken als Teil des Risikomanagements etwa bei Kreditinstituten erwartet.
Die EU Transparenz-Verordnung, die die Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken regelt, ist bereits final, aber noch nicht in Kraft. Die Taxonomie-Verordnung wird zur Zeit in den Trilog-Verhandlungen auf europäischer Ebene diskutiert. Vor 2021 wird es sicher keine bindenden gesetzlichen Vorgaben geben.
Das Merkblatt ist nicht dazu gedacht, das derzeit bestehende rechtliche Vakuum zu füllen. Aber es regt an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – weil dazu rechtliche Vorgaben kommen werden. Und zwar in allen drei Aufsichtsbereichen der BaFin – Banken/Finanzdienstleistungen, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften.